Der ganz alltägliche Wahnsinn

Wildwassertraining auf der Salza

Alles fängt wie immer mit dem Erstellen des Wanderfahrtenplansfür das nächste Jahr an – gut gefüllt, aber durchaus mit Monaten, in denen Termine für Spontanpaddeln frei wären. Nicht so in den Monaten Mai und Juni. Feiertage gejagt von Brückentagen und verlängerten Wochenenden – alles vom Jugendwart verplant. Wann soll da denn bitte noch Zeit bleiben, um Boote zu packen? Am Samstagmorgen 10 Uhr, eine Woche vor der Marathontour zur Salza zum Beispiel. Wir packen für vier kurze aber lohnenswerte Tage, fahren dafür 2500 km durch Deutschland und Österreich.

Es sind nicht alle erschienen die mitfahren wollen, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Köche doch mehr in der Gegend herumstehen als helfen. Dabei sind wie so oft ein Schmied, ein IT-Typ, ein Ich und zwei Schüler, davon zwei Mädchen. Wir packen für 12 Leute so viel, wie in zwei Autos mit viel gutem Willen eben so rein passt, dazu drei Canadier und sechs Kajaks. Manch einer hätte gerne noch ein Zweitboot mitgenommen, aber wenn die Autos voll sind, sind sie halt voll!

Weitere Details spare ich mir, dafür gibt es Packlisten. Allein die Zusammenstellung dieser Listen hat bisher Jahre eingenommen und ist immer noch nicht perfektioniert oder abgeschlossen.

Wie immer stellen wir fest, dass das Packen schneller gehen könnte, wenn man es anders organisieren würde. Weil aber jahrelange Routine im Weg steht, wird nix geändert und auch nie was geändert werden. Es läuft und das gar nicht mal so schlecht. Am Ende geht es doch schneller als erwartet, auf dem Benz sind drei Canadier, auf dem Bulli acht Kajaks (da hat doch jemand sein Zweitboot dazu geschmuggelt).

Geplante Abfahrt ist Mittwochabend 23 Uhr, Chris ist um 22.45 Uhr startbereit, der Rest um 23.15 Uhr. Das Ding mit der Routine lässt uns solche Kleinigkeiten souverän ignorieren. Aino bemerkt, dass mit ein wenig anderer Organisation 23 Uhr hätte geschafft werden können, Hildegard denkt kurz über eine Erwiderung nach, aber der Aino ist der Aino und „alles wird gut“. Alle sind fertig und keiner merkt, dass ich eigentlich Schuld bin, dass wir immer noch nicht losgefahren sind, weil alle mit dem Einsteigen beschäftigt sind.

Um 0.00 Uhr sind wir endlich auf der Autobahn, der unumgängliche erste Halt ist die Esso Tanke in Lichtenbusch, Reifendruck und Tankinhalt ergänzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Chris seit Jahren immer eine Stunde zusätzlich in die Startprozedur einrechnet.

Am Donnerstagmorgen gegen 7 Uhr kommen wir auf dem Zeltplatz in Wildalpen an. Noch vor dem obligatorischen Toilettengang wird der Wasserstand gecheckt! Danach schnell die Zelte aufbauen und ein paar Stunden schlafen, bevor wie zu unserer ersten Paddeltour aufbrechen!

Es ist nicht das erste und wird auch nicht das letzte Mal sein, dass wir die Salza paddeln, aber das Wasser ist so unglaublich klar, die Landschaft hier in der Steiermark so wild und spektakulär, dass es jedes Mal wieder ein besonderes Erlebnis ist!

Die erste Etappe: von Bärnbach/ Brücke bis zum Zeltplatz Wildalpen (8 km)

Der Tag ist schon fortgeschritten, die Sonne scheint und wird von dem glasklaren Wasser der Salza reflektiert. Die bunten Farben der Schwimmwesten, Paddeljacken und Boote leuchten und bilden einen spannenden Kontrast zu den Grüntönen der Bäume und dem türkisblauen Wasser, gekrönt von weiβen Wildwasserwellen!

Die Kajakfahrer sind schon im Wasser und warten ungeduldig auf die Canadierfahrer. Die ersten Kilometer sind weniger spannend als einfach nur schön, dann kommen die ersten Stromschnellen. Wir testen uns langsam an den Fluss heran, weil es für die meisten von uns doch schon eine Weile her ist, dass sie auf dem Wasser waren. Prompt bringt Hildegard im ersten Kehrwasser ihren Canadier zum Kentern, weil sie falsch gekantet hat. Die nächsten Kehrwässer werden vorsichtig und tastend angefahren, immer und immer wieder queren wir die Stromschnellen, üben Seilfähren vorwärts, rückwärts, ins Kehrwasser, raus aus dem Kehrwasser. Bald kommen wir mit dem Fluss richtig gut klar und werden mutiger, die Wellen fühlen sich gut an, etliche Stromschnellen sind sicher gemeistert und das Wetter tut den Rest dazu. Aber dann stehen wir schon vor der nächsten Herausforderung.

Wir halten am rechten Ufer der Salza und begutachten zu Fuβ die Brunnauer Wellen. Die Besichtigung ist für eine sichere Durchfahrt nicht zwingend notwendig, aber wir wollen den Fluss nicht einfach befahren, sondern auch verstehen, wie die Strömung zu lesen ist und wie man eine Sicherung aufbauen kann. Also lassen wir die Boote am Ufer liegen, diskutieren die optimale Durchfahrtslinie und wo man Sicherungsposten aufstellen müsste. Die ganze Aktion wird natürlich per Videokamera festgehalten.
Ich fahre vor um mögliche Schwimmer zu bergen und warte unterhalb auf der linken Seite im Kehrwasser. Aber wie erwartet passiert nix! Die Canadierfahrer haben ordentlich Wasser übernommen und müssen erstmal ihre Groβschiffe lenzen. Derweil versuchen die Kajaks in den Wellen zu surfen. Klar dass Dany dauernd kentert beim Versuch, in der Welle neue Tricks zu zaubern, was aber nicht schlimm ist, da er rollen kann. Elgin ist nicht ganz so draufgängerisch, vielleicht hat sie keine Lust ins Wasser zu fallen. Jamila braucht immer ein wenig länger um sich mit den Wellen anzufreunden, was ich nicht ganz verstehen kann, weil sie eindeutig die sauberste Technik von allen hat.

Endlich sind auch die Groβen mit ihren Dickschiffen fertig und es kann weiter gehen. Auf die folgenden Schnellen freue ich mich besonders, da wir eine Helmkamera mit dabei haben. Dieser letzte Kilometer bis zum Zeltplatz gleicht einer langen Geraden mit gutem Gefälle und vielen teilweise meterhohen Wellen! Was bei den Kajaks schon ganz gut aussieht, ist bei den Canadiern so richtig beeindruckend! Die Boote werden vorne von den Wellen weit aus dem Wasser gehoben, um dann tief in die nächste Welle zu tauchen. Die Bordwände drücken das Wasser in weiten Schüben nach links und rechts und wieder ist lenzen angesagt. Aber die paar Meter bis zum Zeltplatz schaffen wir auch so.

Hier hören die Canadier auf. Ich frage die Kajakfahrer, ob sie noch Lust auf ein bisschen Spaβ in der Spielstelle unterhalb vom Zeltplatz haben. Jedes Jahr sieht sie ein bisschen anders aus. Ob sie dieses Jahr wohl hält was ich versprochen habe? Die Stufe sieht von oben gröβer aus als von unten und so ist die überwindung beim ersten Herunterfahren wie immer am gröβten, aber der innere Schweinehund hat bei uns keine Chance. Nur stellen wir unten in der Welle fest, dass wir ziemlich k.o. sind und eine wohlverdiente warme Dusche dem eiskalten Salzawasser vorziehen.

Soweit der erste Tag! Nach einem lustigen Abend mit Karten und einem Gläschen Wein freuen sich alle auf den nächsten Tag und fallen müde in ihre Zelte!

GUTEN MORGEN!!! Ja, danke Papa … ich bin vielleicht gerade erst ins Bett gegangen? So oder so ähnlich fängt dann der zweite Tag an! Ich kann es kaum fassen, dass ich das alles freiwillig mache, aber dann fällt mir wieder der geile Fluss mit dem traumhaften Wasser ein, alles ist gut und der Tag kann beginnen 😉

Es ist gar nicht mal so warm, aber weil wir ein Spitzenverein sind, ist der Latte Macchiato schon fertig und die Ananas geschnitten. Auβerdem gibt’s – nachdem das ein für alle Mal klar gestellt worden ist – kiloweise Nutella! Alles wird gut! Und L steht für Liebe! Auf gehts!

Die zweite Etappe: Wildalpen bis Wasserloch (11 km)

Nix wie aufs Wasser und … stopp, erst Autos umstellen. Paddeln ist nämlich trotz des unglaublichen Naturerlebnisses mit viel Fahrerei verbunden. Also zuerst ein Auto vorsetzen, mit dem anderen wieder zur Einsatzstelle zurückfahren. Super fast alle haben ihre trockenen Klamotten an der Aussatzstelle, auβer … tja, irgendeinen erwischt es immer, dann heiβt es improvisieren!

So jetzt aber los. Gleiche Besetzung wie gestern. Die erste Stelle ist gleichzeitig auch die gröβte Aufgabe für den Tag, bzw. die Canadierfahrer. Aber trotz einiger Kippelei sieht das ganz gut aus und wir fahren anschlieβend entspannt die Salza runter.

Vielleicht sollte man hier eine kurze Beschreibung der Salza einschieben! Der Fluss ist einfach GEIL! Ich denke das sollte reichen 😉

Es folgen noch ein paar schwierigere Stellen und auch die werden ohne Probleme gemeistert. Ich denke mir zum wiederholten Mal: „Da hat sich der Aufwand offensichtlich gelohnt!“ Und wirklich, da paddeln Eschweiler Kanuten bravurös auf der Salza und ich hab noch genau vor Augen, wie die auf der Semois vor drei Jahren reihenweise gekentert sind.

Die Aussatzstelle am zweiten Tag unterscheidet sich kaum von einer Bergtour. Wir müssen die Boote gefühlte 12 km (120 m!) eine senkrechte Wand (Wanderweg!) hoch tragen. Da ist die Frage, ob freiwillig da das Wort der Wahl ist, schon sehr berechtigt!

Abends gibt’s von mir für alle ein paar Einheiten zum Thema Flaschenzug, Wurfsack werfen und Knoten, denn Sicherheit ist mindestens genauso wichtig wie der Spaβ am Paddeln. Zuerst wird der einfache Flaschenzug geübt, danach werden die Aufgaben kniffliger. Wie kann man mit zwei Wurfsäcken und zwei Rollen einen doppelten Falschenzug aufbauen? Und wenn das klappen sollte, hält das Seil?

Das sind spannende Fragen, aber der Rest denkt eher an essen. Egal, ich bin hier der übungsleiter und wenn die jetzt keine Lust haben, muss ich die heute verpassten Trockenübungen morgen praktisch an weniger „trockenen“ Beispielen demonstrieren… 😉 Wie gut, dass ich einen Trockenanzug habe …

… und wie‘s weiter geht, könnt ihr auf Fotos und Video sehen! Sven Schog (Sportwart)

Die Salza gehört zu unseren  regelmäβigen Terminen im Fahrtenplan. Bei ungünstigem Wasserstand weichen wir auch schon mal zur Kössner Ache aus.